Wenn von Computerspielabhängigkeit die Rede ist, dann denkt man (ja, gib’s zu, bestimmt auch du) zunächst an World of Warcraft und den Sog einer Onlinecommunity, oder an Farmville, das uns so lange motiviert, wie wir uns monetarisieren lassen, oder vielleicht sogar an das urniedliche Animal Crossing, das uns wie ein Tamagotchi ein schlechtes Gewissen macht, wenn wir mal drei Tage was besseres zu tun haben als im virtuellen Dorf vorbeizuschauen.

Wir denken eher nicht an wirklich klug designte Indiespiele.

Threes ist ein wirklich ausgesprochen klug designtes Indiespiel, vielleicht das klügste aller mobilen Puzzleschiebekombinationsvarianten. Diese Tatsache dürfte den meisten Spielerinnen entgangen sein, weil die meisten von euch nur kostenlose Klone wie 2048 gespielt haben. Das Original stammt von Asher Vollmer, Greg Wohlwend und Jimmy Hinson.

In seinem Review für Eurogamer beschreibt Mark Sorrell es voller Bewunderung als “die barbarische Macht der Sucht”, die ihn immer wieder in das Spiel hineinzieht. Threes sei “Nikotin und Soulfood zugleich, großartig und tödlich, eine Spielmaschine.” Sorrell bewertet diese tödliche Spielmaschine mit zehn von zehn Punkten. Er muss sich auskennen, denn beruflich macht er “accessible mobile F2P MMO games”, unter Anwendung von “behavioural psychology and behavioural economics insight to make our games as enjoyable and profitable as possible”.

Ich bin Nichtraucher, aber ungefähr so wie Threes stelle ich mir Nikotinabhängigkeit tastsächlich vor. Vielleicht ist mein Verhältnis zu Threes auch mit meinem ungesund unkontrollierten Koffeinkonsum vergleichbar. Es ist schon muscle memory, vor Stress angesichts des in Echtzeit stattfindenden Endes der Welt zitternd in der Tasche nach dem Handy zu greifen um schnell in der Corona-Warn-App die neuesten Inzidenzzahlen zu checken und dann hoch swipen, runter, runter, tap, starte ich eine neue Runde und habe vergessen was ich vorher machen wollte. Ah, beruhigend.

Ich bin natürlich nicht wirklich süchtig nach dem wirklich klug designten Indiespiel Threes. Nein, wirklich, ich kann jederzeit aufhören! Als könnte man abhängig werden von dem Gefühl mit diesen unbeschreiblich sanften Animationen kleine Zahlenblöcke ineinanderzuschieben, als hätte ein Mobilegame die Macht, mein eher zur Dyskalkulie neigendes Gehirn so umzukonfigurieren, dass ich intuitiv mit Zahlen wie 48, 96, 192, 384 interagieren könnte. Wisst ihr wie schwer ich mir damals mit dem großen Einmaleins getan habe?

Und ihr wollt mir ja wohl nicht unterstellen, dass dieses winzige Element des Zufalls in einem so durchdesignten Game, wenn am Ende einer fast schon verlorenen Partie die Chancen eins zu drei stehen, dass doch noch die rettende Zahl über den Rand des Spielfelds rutscht, mir einen Kick geben würde. In der kostenlosen Version wird das mit Werbung monetarisiert, die alle paar Runden eingeblendet wird. Willst du weiterspielen? Nach nur einem Spot geht’s weiter!

Vor einiger Zeit hörte ich eine Episode der Ezra Klein Show, in der Autor Chris Baily angesichts der wachsenden Kritik an Aufmerksamkeitsraubenden sozialen Medien entgegnete, wir könnten ja wohl kaum wollen, dass die Apps die wir benutzen weniger engaging sind. Ja, doch, schon, vielleicht sollten wir das manchmal wollen. Vielleicht ist es manchmal einfach besser, die Impulskontrolle seiner Spielerinnen nicht zu sehr auf die Probe zu stellen.

Threes ist bis ins letzte Detail perfekt darauf ausgelegt, dass ich weiterspiele. Jeder Swipe in diesem Spiel fühlt sich gut an, bis zu dem Moment, wenn ich bemerke, dass ich schon wieder zwei Straßenblöcke weit nur auf dieses wirklich ausgesprochen klug designte Spiel geschaut habe. Ich bewundere Threes für seine Eleganz und Klugheit, aber am Ende muss ich mich doch fragen: Was ist das genau wert, wenn das Ergebnis so obsessive Neigungen auslöst, die sich auch noch gut monetarisieren lassen?

Jedenfalls habe ich Threes jetzt von meinem Handy gelöscht. Ist einfach besser für mich.